Vergessene Geschichte: Europäische Flüchtlinge im 20. Jahrhundert

Dienstag,
27
.10.
2015
 
Salzburg
BSA Salzburg

Vizerektorin ao. Univ. Prof. Dr. Sylvia Hahn ist ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der historischen Migrationsforschung. Was lag aus aktuellen Anlässen daher näher, als dass sich konkret unsere 3 Vorfeldorganisationen der SPÖ und wir vom Redaktionsteam  im Rahmen des Herbstschwerpunktes unseres Magazins am 27. Oktober mit obiger Thematik befassten.

Historisch betrachtet waren es in der Tat existenzbedrohende Ereignisse, die „Völkerwanderungen“ ausgelöst hatten. Kriege, politische Machtkämpfe und/ oder religiöse Verfolgung lösten Angst, Verfolgung und letztlich Flucht aus. Um – unter dem Blickwinkel der derzeitigen Ereignisse – den Blick von der Gegenwart zurück in die Historie zu schärfen, da zu diente dieser Abend im  Unipark  Nonntal. Rund 60 Personen waren der Einladung gefolgt, darunter HR Marko Feingold, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde und mit seinen 102 Jahren Zeitzeuge in vielen Belangen.

Im Auditorium: Zeitzeuge Hofrat Marko Feingold

Seitens der Veranstalter, repräsentiert durch Dr. Karl Renner-Institut – Vorsitzenden Mag. Dr. Alexander  Neunherz, VSSTÖ-Vorsitzenden Dominic Schlaier und BSA-Vorsitzenden Mag. Josef Pultar, hieß Letztgenannter die Gäste willkommen und hob hervor, wonach mit dem Vortrag von Sylvia Hahn die wissenschaftliche Seite der Flüchtlingsfrage erörtert werden sollte.

In ihrem auch durch zahlreiche Fotos aus Archiven anschaulich untermalten Referat stellte Hahn gleich zu Beginn einen Querbezug zu vielen Zeitgenossen, konkret auch Studierenden her dergestalt, als wohl etliche in Sudetendeutschen oder ehemaligen YugoslawInnen ihre Wurzeln haben dürften. Sie unterschied sodann freiwillige Arbeitsmigration von unfreiwilliger Migration – aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen. „Ausweisung, Vertreibung, Flucht gab es immer“, so die Referentin. Gerade in Salzburg sind etwa Judenvertreibungen oder Protestantenvertreibung gut dokumentierte Beispiele. Parallele zu heute: Auch damals erfolgte die Flucht meist zu Fuß…

Hinsichtlich der Migrationsbewegungen im 20. Jahrhundert war eine Welle vor dem 1. Weltkrieg erfolgt, sodann kamen die verschiedenen Unabhängigkeitsbestrebungen der Kolonien. Politische Umbrüche gingen stets auch mit einer Neuzeichnung der politischen Karten einher. Viele in die Länder der Donaumonarchie entsandte Beamte überlegten sich seinerzeit etwa auch, in ihrem nunmehrigen Umfeld zu bleiben oder in die ursprüngliche Heimat zurückzukehren. Im Zuge der Machtergreifung Hitlers kam es weiters bekanntlich zu einer Massenauswanderung jüdischer Bevölkerungskreise vornehmlich nach Amerika. Nach dem 2. Weltkrieg war Österreich ein Flüchtlings-Durchzugsland. Wie ältere Semester im Saal noch aus eigener Erfahrung bestätigen konnten, sind in Salzburg ganze Stadtteile auch aus Barackenlagern entstanden.

Nach dem Kriege – wie Sylvia Hahn in Erinnerung rief – folgten schließlich die Fluchtbewegungen aus Ungarn (1956), der Tschechoslowakerei (1967), der Zusammenbruch der kommunistischen Länder, etwa der DDR (1989), die Kurdenflüchtlinge in dieser Zeit oder der Jugoslawienkrieg ab 1992.

Sylvia Hahn am Rednerpult

 

In unserer schnelllebigen Zeit ist die Geschichte von armutsbedingter Auswanderung und Flucht in unseren Köpfen vielfach noch zu wenig verankert. Auch diesem Phänomen diente die gelungene Veranstaltung, welche mit einem regen Informationsaustausch unter Einbezug des Auditoriums endete.

 

Bericht: Dr. Herbert Wallentin

Fotos: Gabriele Kaliba

Veranstaltungsankündigung